Die Geschichte der Maison
Ein junges Haus mit einer jahrhundertealten Geschichte ...
Die Geschichte der Maison
1910 gründete Jean Patou sein gleichnamiges Modehaus, aber der Ausbruch des 1. Weltkriegs brachte seine Aktivität kurz darauf zum Erliegen. Als er von der Front zurückkehrte, kurbelte er sein Geschäft wieder an. Seine ersten Kreationen waren von seinen Reisen in den Balkan und den Orient inspiriert. Der junge Modeschöpfer wollte die Frauen von den strengen Dresscodes befreien, denen sie bis dato unterlagen. Er verkaufte Kleider ohne Korsett, kürzte die Rocksäume, erfand eine Sportswear-Linie für die Stadt und machte sein Monogramm zum Markenzeichen. Von seinen großen Konkurrentinnen Jeanne Lanvin und Gabrielle Chanel hob er sich dadurch ab, dass er noch vorausschauender war als sie. So machte er z. B. den Tennisstar Suzanne Lenglen zu seiner Muse oder entwarf rückenfreie lange Kleider zu Zeiten, in denen der „Garçonne“-Stil voll im Trend liegt. Seine Strategie war von Erfolg gekrönt: Zwischen 1919 und 1924 verdreißigfachte er seinen Umsatz. Damalige Berühmtheiten wie Louise Brooks, Joséphine Baker und Mistinguett trugen seine Kleider.
Alles, was Rang und Namen hatte, traf sich in seiner Boutique in der Pariser rue Saint Florentin. Kurz nach der Eröffnung einer Boutique in New York eröffnet, erschütterte die Krise von 1929 auch seine Geschäfte. Als Rettungsmaßnahme brachte Jean Patou mit „Joy“ das teuerste Parfum der Welt heraus. Das Abenteuer wurde durch einen Herzinfarkt im Jahr 1936 jäh beendet. Nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hatten, übernahmen seine Schwester Madeleine Patou und deren Ehemann Raymond Barbas die Leitung der Maison.
Ohne ihren Gründer verlor die Marke jedoch an Glanz. 1954 übernahm Marc Bohan die künstlerische Leitung, gefolgt von weiteren ganz großen Namen der Modewelt: Karl Lagerfeld, Michel Goma und unter dessen Führung der damalige Berufsanfänger Jean Paul Gaultier, gefolgt von Angelo Tarlazzi und Christian Lacroix. Als letzterer die Maison verließ, um sein eigenes Label aufzumachen, stellte Jean Patou seinen Modezweig ein.
Parfums sorgten dafür, dass der Name nicht in Vergessenheit geriet. „Joy“ bleibt als einer der größten Verkaufserfolge eine Referenz in der Parfümindustrie. Von 2001 bis 2011 wurde es von Proctor & Gamble vermarktet, anschließend übernahm die englische Gruppe Designer Parfums.
Im Jahr 2018 erwarb die LVMH-Gruppe Jean Patou im Rahmen eines strategischen Abkommens mit Designer Parfums, um die Modeabteilung zu übernehmen. Sidney Toledano betraute Guillaume Henry mit der künstlerischen Leitung und der Aufgabe, die Prêt-à-Porter-Linien für Damen wieder in Schwung zu bringen.
Jean Patou, der eleganteste Mann Europas!
Jean Patou, der eleganteste Mann Europas!
Jean-Alexandre Patou – später in Jean Patou umbenannt – wurde 1887 als Sohn einer aus der Picardie stammenden Gerber-Familie in Paris geboren. Er trat zunächst in die Armee ein, bevor er begann, sich für Mode zu interessieren. Sein Vater gerbte Sämischleder für Luxusartikel, seine Mutter war Hausfrau. Jean machte eine Kürschnerlehre, bevor er mit 23 sein erstes Modehaus in Paris eröffnete und 1914 seine erste Kollektion herausbrachte. Der erste Weltkrieg zwang ihn, seine Geschäfte ruhen zu lassen. Nach seiner Rückkehr von der Front, wo er die Schönheit des Orients und des Balkans kennengelernt hatte, nahm er seine Tätigkeit wieder auf und führte die Maison in Form eines Familienbetriebs zusammen mit seinen Eltern, seiner Schwester Madeleine und deren Ehemann.
Als Dandy der wilden Zwanzigerjahre bereiste der aufgeklärte Ästhet ganz Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika – stets makellos gekleidet und mit einer Zigarette zwischen den Fingerspitzen. Die amerikanische Presse beschrieb ihn als den „elegantesten Mann Europas“. Der Mann von Welt liebte es, zu feiern oder bei Maxim‘s zu Abend zu essen. Er organisierte persönlich abendliche Modenschauen, die oft bis in die frühen Morgenstunden dauerten. Die Geschwindigkeit und den Nervenkitzel liebend, fuhr Jean Patou schnelle Sportwagen, zischte mit Rennbooten aufs Meer hinaus oder spielte im Casino. Er war ständig in Bewegung, drängte immer nach vorn.
In den 1920er Jahren stellten sich die Frauen gegen die bis dato strengen Dresscodes, und Jean Patou war auf ihrer Seite. Er bot ein ganz neues Kleidungsgefühl, eine Vorstellung von Freizeit und Entspannung ... kurz gesagt: Freiheit! Jean Patou pflegte Romanzen mit Louise Brooks und Mitgliedern der europäischen Aristokratie, heiratete jedoch nie.
1925, in seinem erfolgreichsten Jahr, eröffnete er eine Boutique in Monte Carlo, wo er regelmäßig das Casino besuchte. Auch an den anderen berühmten Badeorten war er mit seinen Bademänteln und maßgeschneiderten Badeanzügen vertreten: Ob in Deauville, Cannes oder Biarritz, überall begegnete man den Initialen„JP“. Jean Patou verhalf einem typisch französischen „gewissen Etwas“ zur Blüte, das den Stil des Landes nachhaltig prägen sollte.
1936 starb Jean Patou mit 48 Jahren in seiner Wohnung des Pariser Hotels George V. Sein Tod war ebenso rasant wie sein Leben.
Jean Patou, der Pionier!
Jean Patou, der Pionier!
Jean Patou revolutionierte die Mode, indem er die weibliche Figur befreite. Der Modeschöpfer entwarf Kleider, die ohne Korsett getragen werden konnten und erfand zudem – seiner Zeit lange voraus – die Sportswear für seine erste Muse, die Tennisspielerin Suzanne Lenglen.
In den 1920er Jahren verkürzte er die Rocksäume, vermarktete einen Faltenrock als Straßenmode und entwarf Jersey-Kombinationen mit geometrischen Mustern. Außerdem bestickte der visionäre Couturier seine Bademoden mit seinen Initialen „JP“ und erfand so das Monogramm-Markenzeichen.
Es gibt eine Anekdote, die den Pioniergeist Jean Patous bestens illustriert: Mitten in seiner Boutique in der rue Saint Florentin, nur einen Steinwurf vom Place de la Concorde entfernt, eröffnete er eine „Parfum-Bar“, in der er seinen Kundinnen und deren Ehemännern die außergewöhnliche Möglichkeit bot, eigene Cocktails und Parfums zu kreieren.
Außerdem richtete er „Le coin des riens“ ein, eine Ecke, in der er sozusagen alles und nichts verkaufte: atypische Accessoires irgendwo zwischen Mode und Design. 1927, als braungebrannte Haut plötzlich schick wurde, entwickelte Jean Patou mit seinem „Huile de Chaldée“ das erste Sonnenöl. So etwas hatte die Welt noch nicht gesehen!
Als Literaturliebhaber gab der Modeschöpfer seinen Kleidungsstücken Namen, wie etwa den Mänteln „Il viendra“ (Er wird kommen) und „Pour lui“ (Für ihn) sowie den Abendkleidern „Belle ténébreuse“ (Geheimnisvolle Schönheit), „Vierge folle“ (Verrückte Jungfrau) und „Candide“ (Unbefangene). Außerdem kreierte er Parfums, vor allem Unisex-Düfte, deren Flakons in Zusammenarbeit mit Baccarat und Van Cleef entstanden. Die Krise von 1929 schwächte auch die Geschäfte der Maison.
Patou, dessen Erfolg sich bis auf die andere Seite des Atlantiks erstreckte, eröffnete eine Boutique in New York. 1930 versuchte er, sein Unternehmen durch die Kreation von „Joy“ zu retten, dem „teuersten Parfum der Welt“, das seinen Kunden „ein paar Tropfen Glück“ versprach. Sein unerschwinglicher Preis (30 ml kosteten umgerechnet 1000 Euro) machten den Duft zum Mythos – ebenso wie seinen Schöpfer Jean Patou.
Patou und seine Designer übernehmen die Maison!
Patou und seine Designer übernehmen die Maison!
Nach dem Tod von Jean Patou im Jahr 1936 führten einige der namhaftesten Modeschöpfer unserer Zeit sein kreatives Werk fort. Der 1926 geborene Marc Bohan fing im Alter von 18 Jahren im Modehaus Jean Patou an, verließ es dann aber zwischenzeitlich, um später als künstlerischer Leiter dorthin zurückzukehren. Von 1954 bis 1957 hielt er den legendären Ruf der Maison am Leben, bevor er anschließend für 30 Jahre als Chefdesigner für Dior arbeitete.
Seinen Posten bei Jean Patou übernahm ab 1958 Karl Lagerfeld, der dort insbesondere fließende lange Kleider entwarf, die als Hommage an den Firmengründer von den 1930er Jahren inspiriert waren. Er schied 1963 aus, um sich den Prêt-à-Porter-Marken zu widmen, mit denen er zusammenarbeitete.
Von 1963 bis 1974 leitete Michel Goma das Modehaus und entwickelte in der Zeit parallel zur Haute Couture auch Konfektionsware.
Jean Paul Gaultier kam 1972 als 20-Jähriger ins Modeatelier, um dort unter Michel Goma seine Ausbildung abzuschließen. 1974 zog er weiter zu Pierre Cardin.
Als Nachfolger von Michel Goma übernahm 1974 Angelo Tarlazzi die modische Leitung der Maison und wurde dort vor allem für seine „Robes Mouchoir“ berühmt, Kleider aus geknoteten Seidentüchern. Er verließ das Unternehmen im Jahr 1977, um sein eigenes Label aufzubauen.
In den 1980er Jahren erfüllte Christian Lacroix die Marke Jean Patou mit neuem Leben. Er wagte Crossovers, überraschende Farbkombinationen, extravagante Details (wie z. B. dieses Cocktailkleid aus Taft mit Toile-de-Jouy-Print) und orientalische Einflüsse, wie sie bereits Jean Patou in seiner Glanzzeit liebte. 1968 wurde seine Arbeit mit dem renommierten „Dé d‘or de la haute couture“ ausgezeichnet, bevor die Maison 1987 die Modeproduktion einstellte und Lacroix sein eigenes Label innerhalb der LVMH-Gruppe gründete.